Vor 260 Jahren, mit dem 2. Einladungsmanifest von Katharina II (die Große), begann die russlanddeutsche Kulturgeschichte.
Kaum den Thron bestiegen erließ Katharina II. (die in Stettin geborene deutsche Prinzessin lutherischen Glaubens, Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst-Dornburg) am 14.10.1762 ihr erstes Einladungsmanifest, das allerdings geschichtlich folgenlos blieb. Erst das Manifest vom 22.07.1763, in dem sie den Auswanderern erhebliche Privilegien und Fördermittel versprach, zog es Tausende in die russischen Werbebüros.
Wirtschaftliche Not und Missstände infolge der Kriege (7-jähriger und Napoleonischer Krieg), Heeres- und Frondienste für die eigenen Fürsten und die fremden Mächte, politische Unterdrückung und die fremde Besatzung, Missernten und Hunger sowie Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit zwangen viele im deutschsprachigen Raum zur Auswanderung.
Den Auswanderern wurden Vergünstigungen wie unentgeltliche Landeszuweisung, freie Religionsausübung, Steuerfreiheit bis zu 30 Jahren, Befreiung vom Militärdienst, kulturelle Autonomie und gemeindliche Selbstverwaltung zugesichert. Die Kolonisten waren keine Leibeigenen, sie durften das Reich jederzeit verlassen.
Dem Manifest der Zarin folgend, zogen im 18. Jahrhundert deutsche Auswanderer aus Rheinhessen, Pfalz, Württemberg, Baden, Elsass und Bayern in das Wolgagebiet. Die meisten Auswanderer kamen zu den Sammelstellen in Ulm, Regensburg, Nürnberg-Wöhrd, Frankfurt und vor allem im hessischen Büdingen, das neben dem anhaltinischen Roßlau/Elbe und Fauerbach/Friedberg unter den Sammelplätzen im Deutschen Reich eine besondere Rolle einnahm. Für viele russlanddeutsche Familien begann hier ihre Vorgeschichte.
Zwischen 1763 und 1772 kamen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum nach Russland insgesamt über 30.000 Personen in Kronstadt an. Davon wurden mehr als 26.000 Kolonisten Richtung Saratow an die mittlere Wolga weiter geleitet. Auf beiden Seiten der unteren Wolga gründeten die Kolonisten innerhalb von Jahren 104 Siedlungen, zwei Drittel davon evangelisch.
Auch nach dem Tod Katharinas II. 1796 wurde die Strategie der Besiedlung von russischen Grenzregionen durch Ausländer weiterverfolgt. Das sogenannte Gnadenprivileg Pauls I. (1796-1801) vom 6.9.1800 räumte den Mennoniten noch zusätzliche Vorrechte ein, wie Befreiung vom Kriegs- und Zivildienst für alle Zeiten, keine Eidesleistung vor Gericht oder Gewerbefreiheit.
Ebenso das Manifest Alexanders I. (1777-1825) vom 20.02.1804 legte besonderen Wert auf Einwanderer, die gute Landwirte, Handwerker, Winzer oder Viehzüchter waren und legte die Grundlage zur Auswanderung in das Schwarzmeergebiet und in den Kaukasus.
Bis 1859 wanderten fast 000 Deutsche aus Württemberg, Baden, Elsass und Bayern nach Südrussland ein.