Am 20. Dezember 2020 verstarb in Duisburg der langjährige Vorsitzende der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Johann Engbrecht. Die Beisetzung fand am 14. Januar 2021 im engen Familienkreis im Kolumbarium der evangelischen Kirchengemeinde in Duisburg statt. Die Landsmannschaft verliert mit ihm einen unersetzlichen Mitstreiter, der seine ganze Kraft und Energie für eine bessere Integration seiner Landsleute einsetzte.
Jahrzehntelang engagierte sich Johann Engbrecht unermüdlich innerhalb der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland: zuerst als Vorsitzender der Kreis- und Ortsgruppe Duisburg, später als stellvertretender Vorsitzender und dann als Vorsitzender der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen. Sein Einsatz galt nicht nur der Führung des Verbandes auf Orts- und Landesebene sowie der Organisation von Veranstaltungen unterschiedlichster Art, sondern war in hohem Maße auch politisch.
Johann Engbrechts Vorfahren siedelten 1908 aus Molotschna (Halbstadt) im Gebiet Saporoschje, Ukraine, nach Westsibirien um. Dort gehörten sie zu den Gründern von Kleefeld in der Nähe von Halbstadt bei Slawgorod. In dem Dorf kam Johann Engbrecht am 1. Dezember 1934 zur Welt.
Im Zweiten Weltkrieg wurden seine Eltern zur Zwangsarbeit mobilisiert. Johann, damals sieben Jahre alt, und seine Schwester Helene, vier Jahre, lebten bei der Großmutter und nach deren Tod bei einer fremden Familie. Die Hungersnot griff auch in den Siedlungen Westsibiriens um sich und forderte jeden Tag ihren Tribut. Erst in den späten 1940er Jahren war die Familie Engbrecht wieder vereint.
Als Deutscher in der Sowjetunion hatte man damals kaum Möglichkeiten einer freien Ausbildung oder Berufswahl. Johann Engbrecht konnte in den Jahren 1953 bis 1957 immerhin die Bergbau-Fachschule in Prokopjewsk absolvieren und anschließend als Mechaniker bzw. Meister untertage im Kohlenschacht 105 der Stadt Saran in der Nähe von Karaganda arbeiten.
Erst ab Ende der 1950er Jahre konnte er sich seinen Jugendtraum, Physiker zu werden, erfüllen. 1964 schloss er ein Physikstudium an der Universität Karaganda ab. Danach war er fast 25 Jahre als Dozent für medizinische und biologische Physik an der neu eröffneten Medizinischen Universität Zelinograd tätig, verfasste mehr als 40 wissenschaftliche und methodische Beiträge. Im September 2014 feierte er als Mitgründer das 50-jährige Jubiläum der Universität und bekam vom Rektor eine Auszeichnung.
1992 siedelte der zweifache Vater mit seiner Familie nach Deutschland aus, wo er sich in Duisburg niederließ. Er fand schnell Anschluss an die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und wurde zum Vorsitzenden der Kreis- und Ortsgruppe Duisburg gewählt. Bevor er seine Landsleute fachkundig beraten konnte, besuchte er mehrere Seminare der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, des Bundes der Vertriebenen und der Otto-Benecke-Stiftung. Mit der Zeit baute er drei Beratungsstellen in Duisburg auf.
Ab 1995 war Johann Engbrecht stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe NRW der LmDR, 2001 wurde er zum Landesvorsitzenden gewählt. Mit großem Engagement und profunder Sachkenntnis leitete er die Landesgruppe zehn Jahre lang. In dieser Zeit profilierte er sich außerdem als gefragter Sozialberater auf allen landsmannschaftlichen Ebenen, insbesondere in Sachen Fremdrente und Familienzusammenführung. Er führte zahlreiche Seminare durch, die sich insbesondere mit diesen Themen befassten. Von 2006 bis 2012 betätigte er sich darüber hinaus als Vorsitzender des Sozialausschusses der LmDR und ab 2012 war Johann Engbrecht Landessozialberater der Landesgruppe NRW.
Ehrenamtlich aktiv war er auch außerhalb der LmDR. So arbeitete er von 1995 bis 2012 im nordrhein-westfälischen Landesbeirat für Flüchtlinge und Spätaussiedlerfragen mit und unterhielt vor allem in dieser Zeit rege Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern, um den Anliegen seiner Landsleute Gehör zu verschaffen. Und von 2005 bis 2012 war er stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung zur Integration der russlanddeutschen Aussiedler (VIRA e. V.).
Lang ist die Liste der Veranstaltungen und Projekte, die Johann Engbrecht initiierte und verwirklichte. Die wichtigsten seien genannt:
Hinzu kamen Integrationsseminare in Oerlinghausen und Altenkirchen sowie Fahrten nach Berlin und in andere Orte der Bundesrepublik.
Für dieses einzigartige Engagement wurde Johann Engbrecht 2012 zum Ehrenvorsitzenden der Landesgruppe NRW ernannt und von der LmDR mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet. 2016 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen. Und schließlich wurde ihm 2019 die Katharinen-Medaille der LmDR überreicht.
Im Namen aller Deutschen aus Russland, die Johann Engbrecht kannten und schätzten, drücken wir der Familie des Verstorbenen unser tiefempfundenes Beileid aus.
Der Bundesvorstand der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die Vorstände der Landesgruppe NRW, der Kreis- und Ortsgruppe Duisburg