Gemeinsam mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland NRW, der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus/Deutsch-osteuropäisches Forum und dem Kulturreferat für Russlanddeutsche am Museum für russlanddeutschen Kulturgeschichte Detmold zeigte der Landtag Nordrhein-Westfalen vom 17. September bis zum 2.Oktober 2019 die Ausstellung „Mitgebracht. Eugen Litwinow – Nikolaus Rode. Erfahrungswelten russlanddeutscher Künstler“, die durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde.
Die gut besuchte Eröffnungsveranstaltung bildete einen gelungenen Auftakt der mittlerweile traditionellen Russlanddeutschen Kulturtage – diesmal unter dem Motto „60 Jahre Landsmannschaft der Deutschen aus Russland – 60 Jahre zu Hause in NRW“. In diesem Rahmen finden bis Mitte November mehrere Kulturveranstaltungen statt, die die Landsmannschaft NRW gemeinsam mit ihren bereits erwähnten Kooperationspartnern mit Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW umsetzt.
Die Kunstwerke der Doppelausstellung mit künstlerischen Arbeiten von Eugen Litwinow und Nikolaus Rode gaben einerseits Einblicke in die Herkunft, Namen und Identität junger Deutschen aus Russland und befassen sich andererseits mit der Geschichte von Flucht, Deportation und Leid der Zeitzeugengeneration. Diese Generationenvielfalt spiegelte sich auch im Publikum bei der Eröffnungsveranstaltung wider. Es waren neben jungen Deutschen aus Russland auch viele Vertreter der älteren Generation anwesend, ebenso wie Freunde, Bekannte und Politiker.
Der Präsident des Landtags, André Kuper, eröffnete die Ausstellung: „60 Jahre Landmannschaft der Russlanddeutschen – dabei denken wir auch an ein dunkles Kapitel, das tiefste Spuren auf dem Leidensweg der Russlanddeutschen hinterlassen hat: Eine ganze Bevölkerungsgruppe wurde allein aufgrund ihrer deutschen Herkunft staatlichen Repressionen und einer gesellschaftlichen Ächtung ausgesetzt, nicht nur während des Krieges, sondern über Jahrzehnte: Massendeportationen, Zwangsarbeit in Todeslagern, ein Leben unter Sonderaufsicht in ausgewiesenen Siedlungsgebieten.“
Grußworte sprachen außerdem Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft, Prof. Dr. Winfrid Halder, Direktor der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus/Deutsch-osteuropäisches Forum, und Dietmar Schulmeister, Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in NRW.
Tenor der Botschaften war, dass die Geschichte der Deutschen aus Russland nicht vergessen werden darf, in den Geschichtsunterricht und das öffentliche Bewusstsein einfließen muss. Auch die Ungerechtigkeit der Rentenkürzung und nicht vollen Anerkennung oder Nichtanerkennung der beruflichen Qualifikationen der Russlanddeutschen kamen zur Sprache. Es wurde auch die besondere Stellung und Bedeutung der Landsmannschaft als Ansprechpartner und Hilfsorganisation herausgestellt. Winfrid Halder lobte die fruchtbare und rege Zusammenarbeit der letzten Zeit, insbesondere auch im Rahmen der Russlanddeutschen Kulturtage.
Die Kurzgeschichte „Aussiedler-Alarm“ der Hamburger Autorin Melitta Roth war die literarische Abrundung und verwies auf den nächsten Event der Russlanddeutschen Kulturtage, nämlich der Diskurs zum Umgang mit transgenerationalen Traumata, den sie mit Ira Peter gab.
Die musikalische Umrahmung meisterte das Streicher-Ensemble des August-Hermann-Francke-Gymnasiums in Detmold. Das Schlusswort sprach Silvana Schindel, stellv. Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland NRW.
Dr. Katja Schlenker, Kuratorin der der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus/Deutsch-osteuropäisches Forum, und Edwin Warkentin, Kulturreferent für Russlanddeutsche am Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte Detmold, führten die Gäste in die Doppelausstellung ein. Zwischendurch sprach Nikolaus Rode in seiner ergreifenden und nachdrücklichen Rede über die Zugehörigkeitslosigkeit und –suche, die Krieg, Flucht, Vertreibung, Deportation und Lager mit sich bringen.
Nikolaus Rode (heute wohnhaft in Kaarst/NRW) zeigte Malerei und Zeichnungen. Der 1940 in Eigental, einer deutschen Kolonie in der Ukraine, geborene Künstler studierte Malerei, Design und Bühnenbild in der Sowjetunion und war in Deutschland als Theatermaler tätig.
Seine Kunst ist untrennbar verknüpft mit seiner Lebensgeschichte, die von Krieg, Flucht, Deportation, Diskriminierung und dem Leid, den diese mit sich ziehen, geprägt ist. Ein beträchtlicher Teil seiner Werke hält in einer eindringlichen Weise die Leidens- und Verfolgungsgeschichte der Russlanddeutschen im 20. Jahrhundert fest, deren Zeitzeuge er selbst ist. Gleichzeitig erzählen Rodes Bilder ein Schicksal, das er mit vielen teilt, die Krieg, Flucht, Vertreibung und Verbannung erlebt hatten oder bis heute erleben. Rodes Bilder sind Bekenntnisse und stumme Zeugnisse dieses Schreckens. Sie sind stumme Schreie dort, wo Sprache oft versagt. Dafür stehen Werke wie „Hinter dem sibirischen Limes“, „Frauen von Kindern getrennt“, „Die Würfel sind gefallen“, „Die nackte Wahrheit / Sibirien“, „Hurricane“ oder „Getriebene – Zwangsarbeit in den sibirischen Wäldern“, die in der aktuellen Ausstellung zu sehen waren.
Der Berliner Künstler Eugen Litwinow steht für die jüngere Generation der Russlanddeutschen. In dem 2013 entstandenen Buchprojekt setzt er sich mit der von der Soziologie als „mitgebracht“ bezeichneten Generation junger russlanddeutscher Spätaussiedler auseinander. In seinem künstlerischen Projekt „Mein Name ist Eugen“ porträtiert der 1987 in Kasachstan geborene Eugen Litwinow 13 junge Russlanddeutsche, die alle den Namen „Eugen“tragen. Sie sind sich noch nie begegnet, doch alle hießen früher „Ewgenij“. Als sie Anfang der Neunzigerjahre nach Deutschland kamen, wurde ihr Name radikal eingedeutscht. Litwinow führte umfangreiche und intensive Gespräche und gibt authentische Einblicke in ihr Leben, ihre Identitäten und die Herausforderungen des Aufwachsens in einer neuen, nur zum Teil vertrauten Kultur.