Bei den Kommunalwahlen 2020 in Nordrhein-Westfalen kandidierte Roman Friedrich für die CDU und wurde in die Bezirksvertretung für Köln-Chorweiler gewählt. Ein Erfolg nicht nur für den engagierten Streetworker und dreifachen Familienvater, sondern auch für die russlanddeutsche Community insgesamt. In einem Interview sprach Roman Friedrich mit VadW-Redakteurin Katharina Martin-Virolainen über seine Motivation sich politisch zu engagieren, seine Erfahrungen während dem Wahlkampf und darüber, welche Perspektiven und Chancen sich nun für seine Arbeit mit Menschen eröffnen. [Erschienen in VadW 2020/10]
KMV: Wenn man die Liste deiner Ehrenämter und Aktivitäten anschaut, da kann einem ja schon schwindlig werden: Stellvertretender Landesvorsitzender der Landsmannschaft in Nordrhein-Westfalen, stimmberechtigtes stellvertretendes Mitglied beim Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen, Beiratsmitglied im Bürgerzentrum Chorweiler, jahrelange Erfahrung als Streetworker – und dann bist du auch noch dreifacher Familienvater! Wie schaffst du das alles? Warst du schon immer so vielseitig engagiert?
RF: Mein Interesse an ehrenamtlichen Engagement hatte seinen Ursprung tatsächlich in meiner alten Heimat Omsk, in Russland. Meine Jugend verlief in den berühmt-berüchtigen Neunzigern. Die Ereignisse in der Politik und Gesellschaft führten zu einem großen Anstieg von Kriminalität, Gewalt und Drogenproblemen unter jungen Menschen. Mich hat, zum einen, der Sport davor bewahrt in diese Abgründe abzurutschen, obwohl es immer wieder Anreize und Angebote gab. Zum anderen, war es die Angst vor den Folgen, denn ich habe gesehen, was Drogen, Gewalt und das Abrutschen in die Kriminalität mit Menschen machen. Ich habe es miterlebt, wie Bekannte und Freunde an ihrer Drogensucht zu Grunde gingen.
Aus diesem Grund habe ich angefangen ehrenamtlich in einem Drogen-Dispensaire, eine Art Beratungs- und Hilfszentrum für Drogenabhängige und drogengefährdete Jugendliche zu arbeiten. Ich habe mit Menschen aufklärende Gespräche über Drogen geführt, habe versucht ihnen die möglichen negativen Folgen aufzuzeigen, ihnen zu helfen von ihrer Sucht wegzukommen.
In Deutschland angekommen konnte ich an diese Tätigkeit leider nicht anknüpfen. Dafür reichte mein Bildungsabschluss nicht aus. Ich kam nach Köln, machte hier meine Ausbildung zum Erzieher, dann zum Soziologen.
Damals suchte man Streetworker mit russischen Sprachkenntnissen, da es keinen Zugang zu russischsprachigen Jugendlichen gab. Sie galten als überdurchschnittlich aggressiv und als auffällig. Ich wurde angesprochen und habe aber sofort zu verstehen gegeben, dass diese Haltung gegenüber russlanddeutschen Jugendlichen sehr diskriminierend ist. Denn die Probleme gibt es nicht nur bei den Russlanddeutschen, sondern bei allen! Ich habe dafür gesorgt, dass unser Team aufgestockt wurde, und seit 13 Jahren arbeite ich nun mit meinem Kollegen, der einen türkischstämmigen Hintergrund hat, Seite an Seite als Streetworker zusammen.
Wir haben unterschiedliche soziale Brennpunkte bedient. Mein Kollege und ich haben immer die Position vertreten, dass es keine schlechte Kultur, keine schlechte Nation und keine schlechten Traditionen gibt. Schwarze Schafe gibt es überall. Unsere Zusammenarbeit ist auch ein Beitrag zur Völkerverständigung. Sie hat einen gewissen Deeskalationscharakter.
KMV: Wo liegen die Schwerpunkte deiner Arbeit?
RF: Meine Schwerpunkte liegen in der bedarfsorientierten Schaffung von Angeboten für Kinder und Jugendliche, Initiierung der Maßnahmen gegen Altersarmut und Diskriminierung aller Art, Organisieren der Fördermaßnahmen zur beruflichen Integration und nicht zuletzt die Förderung der interkulturellen Integrationsarbeit. Was die interkulturelle Arbeit betrifft, das hatte seinen Ursprung ebenfalls in meiner alten Heimat: Ich würde behaupten, dass ich bereits in Russland überdurchschnittliche interkulturelle Kompetenzen besaß. (lacht) Meine Familie lebte zwischen zwei Sprachen und zwei Kulturen: zwischen der deutschen und ukrainischen. Hinzu kam die russische Kultur und die russische Sprache in der Schule und in der Freizeit, sowie meine Freunde, die aus anderen Kulturkreisen stammten. Diese Erfahrungen prägten mich stark und schafften ein bestimmtes Verständnis für andere Menschen, ihre Traditionen und Kulturen.
In meinem Arbeitsalltag als Streetworker begegnen mir unterschiedliche Menschen mit verschiedensten Lebensgeschichten. Ich arbeite nicht nur mit Russlanddeutschen, sondern mit allen, die der russischsprachigen Community angehören, beziehungsweise, die aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion kommen.
KMV: Was hat dich dazu bewegt in die Politik zu gehen?
RF: Es sind mehrere Gründe, die für meine Entscheidung ausschlaggebend waren. Unsere Community hat viele Bedarfe, aber diese werden leider nicht – oder nicht immer gedeckt. Die Probleme sind vielfältig und manches können wir nicht im Einzelkampf lösen, sondern nur auf der politischen Ebene.
In unseren Reihen gibt es viele engagierte und motivierte Leute, die etwas bewegen möchten und am öffentlichen Leben aktiv teilnehmen. Doch sie machen das oft auf eigene Faust: Ohne Förderung, ohne staatliche Hilfe und sonstige Unterstützung. Das fängt an bei musikalischen oder künstlerischen Angeboten mit Integrationscharakter, bis zu Selbsthilfegruppen für anonyme Drogenabhängige. Ich bin überzeugt, dass die deutsche Gesellschaft von der Arbeit dieser Initiativen stark profitieren könnte. Aber dafür müssen bestimmte Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, damit die Arbeit professionalisiert und gebündelt, darüber hinaus zielgerichtet und flächendeckend gearbeitet werden kann. Diese Initiativen arbeiten meistens direkt an der Basis und haben Zugang zu Menschen, zu denen andere Stellen und Institutionen vielleicht keinen Zugang finden.
Ein weiterer Punkt ist die Anerkennung der Abschlüsse. Viele unserer Landsleute wurden über Bord des Lebens geworfen, weil ihre Bildung und Ausbildung nach der Ankunft in Deutschland plötzlich nichts mehr wert war. Und diese Nicht-Anerkennung zog einen langen Rattenschwanz nach sich. Es geht dabei nicht nur um verminderte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch um die späteren Auswirkungen, zum Beispiel die Benachteiligung bei der Höhe der Rente. Diesen Menschen wurden die Chancen genommen und es ist eine Mammutaufgabe dieses Problem lösen zu können. Viele wurden dadurch an den Rand der Gesellschaft oder in schwierige soziale Lage getrieben. Wir müssen uns dabei immer vor Augen führen: Es handelt sich nicht nur um Zahlen und Statistiken, sondern in erster Linie um menschliche Schicksale. Solche Fälle können viel Zeit und Kraft kosten, und sind mit vielen bürokratischen Herausforderungen verbunden. Daher brauchen wir laute Stimmen und starke Vertretungen, die sich diesen Problemen annehmen können.
Für Politik interessiere ich mich seit zwölf Jahren und habe mich immer politisch beteiligt, ohne allerdings einer Partei anzugehören. Ich wollte meine Neutralität nicht verlieren. Aber ab einem gewissen Moment wurde mir bewusst, dass ich mich nicht nur auf fremde Versprechen verlassen möchte, sondern auch selbst etwas tun will. Ich will sichergehen, dass Forderungen erfüllt werden. Und dafür muss ich ein Teil des Mechanismus werden. Ich brauche die Instrumente, um Probleme lösen zu können. Denn aus meiner Sicht hat es hat keinen Sinn sich ständig zu beklagen: Wer etwas verändern möchte, muss selbst etwas tun. Aus diesem Grund wollte ich einen Schritt weitergehen und bin vor zwei Jahren der CDU beigetreten.
Wieso ausgerechnet CDU?
RF: Ich habe mich im Vorfeld gründlich informiert und die Werte der CDU haben stark meinen eigenen Werten entsprochen. Was mir zum Beispiel ebenfalls sehr zugesagt hat, war die traditionelle Vorstellung von der Heimat, einer politischen Heimat. Und nicht zuletzt die Anerkennung der Besonderheiten unserer Gruppe, den Spätaussiedlern, seitens der CDU.
Wie erfährst und empfindest du das Interesse unserer Community an der Politik? Wie gut sind die Menschen informiert?
RF: Das ist ein weiteres Hauptproblem unserer Community: Die mangelnde Kenntnis bis absolute Unkenntnis ihrer Rechte und Pflichten. Politische Bildung ist ein wichtiger Baustein, um am gesellschaftlichen und politischen Leben aktiv teilhaben zu können. Wenn das Wissen fehlt, wie will man sich dann einbringen? Daher müssen wir unsere Leute besser informieren und schulen. Das könnte zum Beispiel die LmDR übernehmen, aber auch dafür braucht man finanzielle und menschliche Ressourcen. Die Landsmannschaft hat in der Vergangenheit bereits viel zur Integration und Eingliederung unserer Leute in die Gesellschaft geleistet. Die Unterstützung seitens der Politik darf sich nicht nur auf Danksagungen und Ehrungen beschränken, sondern da müssen neue Wege und Mittel gefunden werden, wie man diese Arbeit weiterführt, stärkt und fördert. Menschen müssen wissen und verstehen, was sie durch aktive politische Teilhabe bewirken können und wie unser politisches System insgesamt funktioniert.
Wie verlief für dich der Wahlkampf und wie gestaltete sich der Austausch, vor allem, mit unseren Landsleuten?
RF: Während dem Wahlkampf war ich sehr viel mit Menschen im Gespräch. Darunter waren viele Erstwähler dabei, auch welche, die überhaupt keine Ahnung von unserem Wahlsystem hatten. Einige, die bestimmte Parteien wählen – oder wählen wollten, weil sie gegenüber unserer Politik und Regierung ein Misstrauen haben.
Was das Misstrauen betrifft: Ich würde behaupten, dass es sich in den meisten Fällen um ein sogenanntes „angeborenes“ Misstrauen gegenüber Politik handelt, aufgrund unserer Herkunft und Vorgeschichte. In der alten Heimat haben diese Menschen nicht richtig wahrgenommen, dass sie Rechte haben. Oder daran geglaubt, dass sie etwas bewirken können. Dieses Bewusstsein in unseren Leuten zu wecken, ist keine leichte – aber keine unmögliche Aufgabe.
Das Problem liegt unter anderem auch darin, dass momentan viele falsche und irreführenden Informationen im Umlauf sind. Ich kann jeden nur ermahnen mit Bedacht und Vorsicht mit den Informationen umzugehen, die man heutzutage über unterschiedliche Kanäle – in erster Linie – privat bekommt. Man sollte sich nicht von Parolen, die destabilisieren wollen, beeinflussen lassen. Wir leben in einer Gesellschaft und können diese gemeinsam gestalten. Es geht um unsere Kinder, die in diesem Land ihre Zukunft haben. Es ist unsere Bürgerpflicht uns zu informieren und uns politisch zu bilden. Daher kann ich jedem nur ans Herz legen bei Gelegenheit die Angebote zur politischen Bildung anzunehmen. Sich nicht von Verschwörungstheorien und populistischen Bewegungen blenden zu lassen. Keine leichte Antworten auf schwere Fragen zu suchen.
Wir müssen auch unsere Kräfte bündeln, um diesen Strömungen und Entwicklungen entgegen zu wirken. Intensive Medienarbeit ist eines der wirksamsten Instrumente zur Aufklärung. Wir müssen starke Präsenz in den sozialen Netzwerken und in den Medien zeigen. Damit die Informationen auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden und eine positive Entwicklung bewirken können.
Was wird sich für dich nun ändern?
RF: Ich werde weiterhin das machen, was ich schon immer gemacht habe: Menschen vor meiner Haustür helfen. Genau dafür muss die Politik eingesetzt werden. Nun werde ich aber andere Instrumente und mehr Möglichkeiten haben als früher. Und diese möchte ich für direkte Veränderungen und Verbesserungen nutzen.
Roman, wir wünschen dir viel Erfolg bei deiner neuen Aufgabe, und alles Gute für deine Zukunft!
Bei den Kommunalwahlen 2020 in Nordrhein-Westfalen kandidierte Roman Friedrich für die CDU und wurde in die Bezirksvertretung für Köln-Chorweiler gewählt. Ein Erfolg nicht nur für den engagierten Streetworker und dreifachen Familienvater, sondern auch für die russlanddeutsche Community insgesamt. In einem Interview sprach Roman Friedrich mit VadW-Redakteurin Katharina Martin-Virolainen über seine Motivation sich politisch zu engagieren, seine Erfahrungen während dem Wahlkampf und darüber, welche Perspektiven und Chancen sich nun für seine Arbeit mit Menschen eröffnen. [Erschienen in VadW 2020/10]
KMV: Wenn man die Liste deiner Ehrenämter und Aktivitäten anschaut, da kann einem ja schon schwindlig werden: Stellvertretender Landesvorsitzender der Landsmannschaft in Nordrhein-Westfalen, stimmberechtigtes stellvertretendes Mitglied beim Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen, Beiratsmitglied im Bürgerzentrum Chorweiler, jahrelange Erfahrung als Streetworker – und dann bist du auch noch dreifacher Familienvater! Wie schaffst du das alles? Warst du schon immer so vielseitig engagiert?
RF: Mein Interesse an ehrenamtlichen Engagement hatte seinen Ursprung tatsächlich in meiner alten Heimat Omsk, in Russland. Meine Jugend verlief in den berühmt-berüchtigen Neunzigern. Die Ereignisse in der Politik und Gesellschaft führten zu einem großen Anstieg von Kriminalität, Gewalt und Drogenproblemen unter jungen Menschen. Mich hat, zum einen, der Sport davor bewahrt in diese Abgründe abzurutschen, obwohl es immer wieder Anreize und Angebote gab. Zum anderen, war es die Angst vor den Folgen, denn ich habe gesehen, was Drogen, Gewalt und das Abrutschen in die Kriminalität mit Menschen machen. Ich habe es miterlebt, wie Bekannte und Freunde an ihrer Drogensucht zu Grunde gingen.
Aus diesem Grund habe ich angefangen ehrenamtlich in einem Drogen-Dispensaire, eine Art Beratungs- und Hilfszentrum für Drogenabhängige und drogengefährdete Jugendliche zu arbeiten. Ich habe mit Menschen aufklärende Gespräche über Drogen geführt, habe versucht ihnen die möglichen negativen Folgen aufzuzeigen, ihnen zu helfen von ihrer Sucht wegzukommen.
In Deutschland angekommen konnte ich an diese Tätigkeit leider nicht anknüpfen. Dafür reichte mein Bildungsabschluss nicht aus. Ich kam nach Köln, machte hier meine Ausbildung zum Erzieher, dann zum Soziologen.
Damals suchte man Streetworker mit russischen Sprachkenntnissen, da es keinen Zugang zu russischsprachigen Jugendlichen gab. Sie galten als überdurchschnittlich aggressiv und als auffällig. Ich wurde angesprochen und habe aber sofort zu verstehen gegeben, dass diese Haltung gegenüber russlanddeutschen Jugendlichen sehr diskriminierend ist. Denn die Probleme gibt es nicht nur bei den Russlanddeutschen, sondern bei allen! Ich habe dafür gesorgt, dass unser Team aufgestockt wurde, und seit 13 Jahren arbeite ich nun mit meinem Kollegen, der einen türkischstämmigen Hintergrund hat, Seite an Seite als Streetworker zusammen.
Wir haben unterschiedliche soziale Brennpunkte bedient. Mein Kollege und ich haben immer die Position vertreten, dass es keine schlechte Kultur, keine schlechte Nation und keine schlechten Traditionen gibt. Schwarze Schafe gibt es überall. Unsere Zusammenarbeit ist auch ein Beitrag zur Völkerverständigung. Sie hat einen gewissen Deeskalationscharakter.
KMV: Wo liegen die Schwerpunkte deiner Arbeit?
RF: Meine Schwerpunkte liegen in der bedarfsorientierten Schaffung von Angeboten für Kinder und Jugendliche, Initiierung der Maßnahmen gegen Altersarmut und Diskriminierung aller Art, Organisieren der Fördermaßnahmen zur beruflichen Integration und nicht zuletzt die Förderung der interkulturellen Integrationsarbeit. Was die interkulturelle Arbeit betrifft, das hatte seinen Ursprung ebenfalls in meiner alten Heimat: Ich würde behaupten, dass ich bereits in Russland überdurchschnittliche interkulturelle Kompetenzen besaß. (lacht) Meine Familie lebte zwischen zwei Sprachen und zwei Kulturen: zwischen der deutschen und ukrainischen. Hinzu kam die russische Kultur und die russische Sprache in der Schule und in der Freizeit, sowie meine Freunde, die aus anderen Kulturkreisen stammten. Diese Erfahrungen prägten mich stark und schafften ein bestimmtes Verständnis für andere Menschen, ihre Traditionen und Kulturen.
In meinem Arbeitsalltag als Streetworker begegnen mir unterschiedliche Menschen mit verschiedensten Lebensgeschichten. Ich arbeite nicht nur mit Russlanddeutschen, sondern mit allen, die der russischsprachigen Community angehören, beziehungsweise, die aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion kommen.
KMV: Was hat dich dazu bewegt in die Politik zu gehen?
RF: Es sind mehrere Gründe, die für meine Entscheidung ausschlaggebend waren. Unsere Community hat viele Bedarfe, aber diese werden leider nicht – oder nicht immer gedeckt. Die Probleme sind vielfältig und manches können wir nicht im Einzelkampf lösen, sondern nur auf der politischen Ebene.
In unseren Reihen gibt es viele engagierte und motivierte Leute, die etwas bewegen möchten und am öffentlichen Leben aktiv teilnehmen. Doch sie machen das oft auf eigene Faust: Ohne Förderung, ohne staatliche Hilfe und sonstige Unterstützung. Das fängt an bei musikalischen oder künstlerischen Angeboten mit Integrationscharakter, bis zu Selbsthilfegruppen für anonyme Drogenabhängige. Ich bin überzeugt, dass die deutsche Gesellschaft von der Arbeit dieser Initiativen stark profitieren könnte. Aber dafür müssen bestimmte Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, damit die Arbeit professionalisiert und gebündelt, darüber hinaus zielgerichtet und flächendeckend gearbeitet werden kann. Diese Initiativen arbeiten meistens direkt an der Basis und haben Zugang zu Menschen, zu denen andere Stellen und Institutionen vielleicht keinen Zugang finden.
Ein weiterer Punkt ist die Anerkennung der Abschlüsse. Viele unserer Landsleute wurden über Bord des Lebens geworfen, weil ihre Bildung und Ausbildung nach der Ankunft in Deutschland plötzlich nichts mehr wert war. Und diese Nicht-Anerkennung zog einen langen Rattenschwanz nach sich. Es geht dabei nicht nur um verminderte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch um die späteren Auswirkungen, zum Beispiel die Benachteiligung bei der Höhe der Rente. Diesen Menschen wurden die Chancen genommen und es ist eine Mammutaufgabe dieses Problem lösen zu können. Viele wurden dadurch an den Rand der Gesellschaft oder in schwierige soziale Lage getrieben. Wir müssen uns dabei immer vor Augen führen: Es handelt sich nicht nur um Zahlen und Statistiken, sondern in erster Linie um menschliche Schicksale. Solche Fälle können viel Zeit und Kraft kosten, und sind mit vielen bürokratischen Herausforderungen verbunden. Daher brauchen wir laute Stimmen und starke Vertretungen, die sich diesen Problemen annehmen können.
Für Politik interessiere ich mich seit zwölf Jahren und habe mich immer politisch beteiligt, ohne allerdings einer Partei anzugehören. Ich wollte meine Neutralität nicht verlieren. Aber ab einem gewissen Moment wurde mir bewusst, dass ich mich nicht nur auf fremde Versprechen verlassen möchte, sondern auch selbst etwas tun will. Ich will sichergehen, dass Forderungen erfüllt werden. Und dafür muss ich ein Teil des Mechanismus werden. Ich brauche die Instrumente, um Probleme lösen zu können. Denn aus meiner Sicht hat es hat keinen Sinn sich ständig zu beklagen: Wer etwas verändern möchte, muss selbst etwas tun. Aus diesem Grund wollte ich einen Schritt weitergehen und bin vor zwei Jahren der CDU beigetreten.
Wieso ausgerechnet CDU?
RF: Ich habe mich im Vorfeld gründlich informiert und die Werte der CDU haben stark meinen eigenen Werten entsprochen. Was mir zum Beispiel ebenfalls sehr zugesagt hat, war die traditionelle Vorstellung von der Heimat, einer politischen Heimat. Und nicht zuletzt die Anerkennung der Besonderheiten unserer Gruppe, den Spätaussiedlern, seitens der CDU.
Wie erfährst und empfindest du das Interesse unserer Community an der Politik? Wie gut sind die Menschen informiert?
RF: Das ist ein weiteres Hauptproblem unserer Community: Die mangelnde Kenntnis bis absolute Unkenntnis ihrer Rechte und Pflichten. Politische Bildung ist ein wichtiger Baustein, um am gesellschaftlichen und politischen Leben aktiv teilhaben zu können. Wenn das Wissen fehlt, wie will man sich dann einbringen? Daher müssen wir unsere Leute besser informieren und schulen. Das könnte zum Beispiel die LmDR übernehmen, aber auch dafür braucht man finanzielle und menschliche Ressourcen. Die Landsmannschaft hat in der Vergangenheit bereits viel zur Integration und Eingliederung unserer Leute in die Gesellschaft geleistet. Die Unterstützung seitens der Politik darf sich nicht nur auf Danksagungen und Ehrungen beschränken, sondern da müssen neue Wege und Mittel gefunden werden, wie man diese Arbeit weiterführt, stärkt und fördert. Menschen müssen wissen und verstehen, was sie durch aktive politische Teilhabe bewirken können und wie unser politisches System insgesamt funktioniert.
Wie verlief für dich der Wahlkampf und wie gestaltete sich der Austausch, vor allem, mit unseren Landsleuten?
RF: Während dem Wahlkampf war ich sehr viel mit Menschen im Gespräch. Darunter waren viele Erstwähler dabei, auch welche, die überhaupt keine Ahnung von unserem Wahlsystem hatten. Einige, die bestimmte Parteien wählen – oder wählen wollten, weil sie gegenüber unserer Politik und Regierung ein Misstrauen haben.
Was das Misstrauen betrifft: Ich würde behaupten, dass es sich in den meisten Fällen um ein sogenanntes „angeborenes“ Misstrauen gegenüber Politik handelt, aufgrund unserer Herkunft und Vorgeschichte. In der alten Heimat haben diese Menschen nicht richtig wahrgenommen, dass sie Rechte haben. Oder daran geglaubt, dass sie etwas bewirken können. Dieses Bewusstsein in unseren Leuten zu wecken, ist keine leichte – aber keine unmögliche Aufgabe.
Das Problem liegt unter anderem auch darin, dass momentan viele falsche und irreführenden Informationen im Umlauf sind. Ich kann jeden nur ermahnen mit Bedacht und Vorsicht mit den Informationen umzugehen, die man heutzutage über unterschiedliche Kanäle – in erster Linie – privat bekommt. Man sollte sich nicht von Parolen, die destabilisieren wollen, beeinflussen lassen. Wir leben in einer Gesellschaft und können diese gemeinsam gestalten. Es geht um unsere Kinder, die in diesem Land ihre Zukunft haben. Es ist unsere Bürgerpflicht uns zu informieren und uns politisch zu bilden. Daher kann ich jedem nur ans Herz legen bei Gelegenheit die Angebote zur politischen Bildung anzunehmen. Sich nicht von Verschwörungstheorien und populistischen Bewegungen blenden zu lassen. Keine leichte Antworten auf schwere Fragen zu suchen.
Wir müssen auch unsere Kräfte bündeln, um diesen Strömungen und Entwicklungen entgegen zu wirken. Intensive Medienarbeit ist eines der wirksamsten Instrumente zur Aufklärung. Wir müssen starke Präsenz in den sozialen Netzwerken und in den Medien zeigen. Damit die Informationen auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden und eine positive Entwicklung bewirken können.
Was wird sich für dich nun ändern?
RF: Ich werde weiterhin das machen, was ich schon immer gemacht habe: Menschen vor meiner Haustür helfen. Genau dafür muss die Politik eingesetzt werden. Nun werde ich aber andere Instrumente und mehr Möglichkeiten haben als früher. Und diese möchte ich für direkte Veränderungen und Verbesserungen nutzen.
Roman, wir wünschen dir viel Erfolg bei deiner neuen Aufgabe, und alles Gute für deine Zukunft!